
11. Februar 2025
Auf den letzten Metern vor der Wahl hat ein Gesetz den Bundestag passiert, das – so der Titel – die „Akzeptanz beim Windenergieausbau“ verbessern soll. Und zwar, indem für Windenergieanlagen außerhalb von ausgewiesenen oder in Aufstellung befindlichen Windenergiegebieten keine bauplanungsrechtlichen Vorbescheide mehr möglich sind (BT-Drs. 20/14777).
Hintergrund der Neuregelung
Nach dem Windflächenbedarfsgesetz müssen die Bundesländer einen bestimmten Teil der Landesfläche als Windenergiegebiete ausweisen. Windenergieanlagen sind dann nur noch in diesen Windenergiegebieten privilegiert. Das gilt aber erst dann, wenn ein Regionalplan mit Windenergiegebieten in Kraft getreten ist, sog. privilegierte Vorhaben. Das gilt aber erst dann, wenn der betreffende Regionalplan in Kraft getreten ist. Zuvor können Windenergieanlagen grundsätzlich im gesamten unbeplanten Außenbereich als sog. privilegierte Vorhaben errichtet werden.
Nicht alle Regionen in Deutschland haben bereits entsprechende Windenergiegebiete ausgewiesen, u.a. gilt das auch für das Sauerland in Nordrhein-Westfalen. Dort haben Anlagenbetreiber Genehmigungsanträge oder Vorbescheid-Anträge in Gebieten gestellt, in denen der Regionalverband eigentlich keine Windenergieanlagen zulassen möchte. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen versuchte, diese Windenergieanlagen durch ein Moratorium zu verhindern. Ende September 2024 entschied jedoch das OVG Münster, dass das Genehmigungsverfahren nicht auf Grundlage des Landesplanungsgesetzes ausgesetzt werden könne; diese Vorschrift verstoße gegen Bundesrecht.
Hier versucht der Bundesgesetzgeber mit einer Änderung nachzubessern (landläufig als „Lex Sauerland“ bezeichnet). Im Fokus steht die Regelung für Vorbescheide zugunsten von Windenergieanlagen nach § 9 Abs. 1a BImSchG.
Änderung des § 9 Abs. 1a BImSchG
Um die Planungs- und Investitionssicherheit von Windenergieprojekten zu erhöhen, soll die Behörde im Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen per Vorbescheid entscheiden. Zuletzt wurde durch die BImSchG-Novelle ein eigenes (und beschleunigtes) Vorbescheidsverfahren für Windenergieanlagen geschaffen (§ 9 Abs. 1a BImSchG). Diese noch sehr „junge“ Regelung wird jetzt modifiziert: Ein beschleunigter Vorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Windenergieanlagen ist nicht mehr möglich, wenn die Windenergieanlage außerhalb bereits ausgewiesener oder noch in Planung befindlicher Windenergiegebiete im Sinne des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) errichtet werden soll; davon ausgenommen ist das Repowering von Windenergieanlagen.
Für wen und ab wann gelten die Änderungen?
Die Änderungen betreffen alle künftigen und laufenden, aber noch nicht entschiedenen Vorbescheidsverfahren gem. § 9 Abs. 1a BImSchG.
Die „klassischen“ Vorbescheide nach § 9 Abs. 1 BauGB werden durch die Neuregelung nicht eingeschränkt. Auch Vorbescheide, die schon erteilt sind oder noch erteilt werden, bevor das Gesetz beschlossen und verkündet wird, bleiben unberührt, ebenso – wie erwähnt – die Repowering-Vorhaben.
Kein Schutz vor Entprivilegierung
Für Betreiber von Windenergieanlagen bedeutet die Änderung vor allem weniger Rechtssicherheit.
Bisher konnte bei einer noch nicht abgeschlossenen Ausweisung von Windenergiegebieten der Vorbescheid zur „Sicherung“ eines Standorts außerhalb geplanter Windenergiegebiete genutzt werden. Wurde über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Vorbescheid nach § 9 Abs. 1a BImSchG positiv entschieden, war die Behörde für das spätere Genehmigungsverfahren daran gebunden.
Dem schiebt der Bundestag nun einen Riegel vor. Wer jetzt noch Windenergieanlagen außerhalb von geplanten Windenergiegebieten umsetzen will, muss entweder einen „regulären“ Vorbescheid nach § 9 Abs. 1 BImSchG beantragen, bei dem aber über das sog. vorläufige positive Gesamturteil eine Beurteilung aller Genehmigungsvoraussetzungen erfolgen muss, oder die „volle“ Genehmigung beantragen. Die Vorteile des Vorbescheids nach § 9 Abs. 1a BImSchG, der sich auf die Entscheidung einzelnen Genehmigungsvoraussetzungen fokussieren kann, greifen nicht (mehr). Das Vorgehen wird damit riskanter und wohl auch teurer. Es wird riskanter, weil bei einer Verzögerung des BImSchG-Verfahrens der „reguläre“ Vorbescheid oder die Genehmigung versagt werden muss, wenn inzwischen der Regionalplan beschlossen worden ist. Es wird teurer, weil alle Unterlagen und Gutachten vorgelegt werden müssen.
Konkurrenzschutz
Die Neuregelung betrifft nur bauplanungsrechtliche Vorbescheide, also Vorbescheide nach § 9Abs. 1a BImSchG zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 35 BauGB.
Vorbescheide zu anderen Themen sind nach wie vor zulässig. So kann etwa die Vereinbarkeit mit der zivilen und/oder militärischen Luftfahrt nach wie vor uneingeschränkt über das Vorbescheidsverfahren nach § 9 Abs. 1a BImSchG geklärt werden. Auch die in der Praxis wichtigen Vorbescheide mit dem Ziel, das Vorhaben vor konkurrierenden Anträgen anderer Anlagenbetreiber*innen zu schützen, sind grundsätzlich möglich.
Ansprechpartner:innen: Andreas Große/Micha Klewar/Julia Ludwig/Joshua Hansen
Weitere Ansprechpartner:innen Genehmigungsrecht: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann/Carsten Telschow/Nelly Arnold