BImSchG-Novelle Teil 2: Wieviel Turbo steckt in den neuen Regeln zum Genehmigungsverfahren?

16. Oktober 2024

Mit dem neuen Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) will die Regierungskoalition den gewachsenen Rechtsrahmen effizienter gestalten und die Genehmigungsverfahren wieder beschleunigen (wir berichteten). Die Novelle bringt die überfällige Digitalisierung voran und enthält einige wichtige Elemente, die zu einer spürbaren Verfahrensbeschleunigung führen sollen. Den Praxistest müssen sie aber erst noch bestehen.

Die Digitalisierung der Genehmigungsverfahren

Wie in Genehmigungsverfahren üblich, beginnen auch BImSchG-Verfahren mit einem Antrag des Vorhabenträgers. Eine digitale Antragsbearbeitung war bislang selten möglich. § 10 Abs. 1 S. 4 sieht nun vor, dass die Genehmigungsbehörde eine elektronische Antragstellung verlangen kann. Wenn sie einen elektronischen Antragszugang eröffnet, muss dieser sogar genutzt werden. Allerdings kann die Behörde die Übermittlung in Papierform verlangen; aber nur in engen Grenzen, das heißt „soweit eine Bearbeitung anders nicht möglich ist“ (§ 10 Abs. 1 S. 6 BImSchG). Nach wie vor aber kann die Behörde umgekehrt auch die Übermittlung in Papierform verlangen „soweit eine Bearbeitung anders nicht möglich ist“ (§ 10 Abs. 1 S. 6).

Auch die Bekanntmachung der Vorhaben und der Genehmigungen erfolgt nun digital (§ 10 Abs. 3, Abs. 8). Die Dokumente werden auf einer Internetseite veröffentlicht. Dem kann zwar widersprochen werden, aber nur, soweit der Vorhabenträger eine Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder wichtiger Sicherheitsbelange befürchtet (§ 10 Abs. 3 S. 5, Abs. 8 S. 6). Dann muss die Behörde eine andere Form der Veröffentlichung wählen. Welche, lässt das Gesetz offen.

Tempo bei der Behördenbeteiligung und Genehmigungsentscheidung

Die Neuerungen zur Verfahrensbeschleunigung betreffen zum einen den Zeitraum für die Beteiligung von Fachbehörden. Zum anderen gibt es Änderungen beim Entscheidungszeitraum der Genehmigungsbehörden.

Fachbehörden, deren Aufgabenbereich durch ein Vorhaben berührt werden, müssen in Genehmigungsverfahren beteiligt werden. Naturgemäß führt die Beteiligung anderer Akteure häufig zu Verzögerungen. Von nun an soll jede eingegangene Stellungnahme unverzüglich an den Antragssteller weitergeleitet werden (§ 10 Abs. 5 S. 2). Auch die Behördenbeteiligung selbst soll schneller erfolgen: Wenn eine Fachbehörde nicht innerhalb eines Monats Stellung bezieht, gilt dies als Nichtäußerungswille und es muss nicht länger abgewartet werden. Die Frist kann auch nicht verlängert werden, wenn das Verfahren eine Anlage zur Nutzung von Erneuerbaren Energien (EE) oder eine Anlage zur Wasserstoffherstellung aus EE betrifft (§ 10 Abs. 5 S. 3). Die Genehmigungsbehörde kann dann zum Zeitpunkt des Fristablaufs der Behördenbeteiligung auf Grundlage der geltenden Sach- und Rechtslage entweder selbst Stellung beziehen oder ein Sachverständigengutachten einholen (S. 4-6). Wichtig ist dabei, dass die Behörde bei jedem Überschreiten dieser Frist ihre Aufsichtsbehörde informieren muss (S. 8) – weitere Folgen der Fristüberschreitung sind nicht genannt. Außerdem sieht die Neuerung einen verpflichtenden Austausch zwischen Antragssteller und Behörde vor, sofern Letztere ihre Zustimmung nicht erteilen will, denn sie muss dem Antragsteller die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb einer von ihr zu setzenden Frist geben (S. 9).

Nach wie vor muss die Behörde innerhalb von sieben Monaten – in verkürzten Verfahren innerhalb von drei Monaten – über den Genehmigungsantrag entscheiden, sobald er vollständig eingegangen ist (§ 10 Abs. 6a S. 1). Am Zeitraum selbst ändert die Novelle nichts, schränkt aber die Verlängerung der Frist ein und stellt den Zeitpunkt ihres Beginns klar. Die Frist kann fortan nur noch einmalig um bis zu drei Monate verlängert werden und muss gegenüber dem Antragsteller begründet werden (S. 2 und 3). Wenn die Genehmigungsbehörde ihren Entscheidungszeitraum noch weiter ausdehnen will, braucht sie die Zustimmung des Antragsstellers (S. 4). Regelmäßig wird dieser keine andere Wahl haben, als der nochmaligen Verlängerung zuzustimmen und nicht selten wird es in seinem Interesse sein, mit der Genehmigungsbehörde im Gespräch zu seinem Antrag zu bleiben. Unklar ist, wie ausführlich die Begründung der erstmaligen Verlängerung ausfallen muss, und ob etwa ein pauschaler Hinweis auf die Komplexität des Vorhabens ausreicht.

Klarheit für den Zeitpunkt des Fristbeginns bringt die Änderung der 9. BImSchV zu Genehmigungsverfahren. Auch bislang musste innerhalb eines Monats geprüft werden, ob die Antragsunterlagen vollständig sind (§ 7 Abs. 1 S. 1). Die Neuerung sieht jetzt aber vor, dass die Genehmigungsfrist von sieben Monaten mit dem Ablauf dieses Monats automatisch beginnt – dann wird die Vollständigkeit der Unterlagen fingiert, sofern die Behörde nicht das Fehlen von Dokumenten moniert. In diesem Fall beginnt die Frist mit Eingang der Unterlagen, die die Behörde nachgefordert hat (§ 7 Abs. 1 S. 4 der 9.BImSchV). Außerdem soll die Genehmigungsbehörde dem Antragsteller die Möglichkeit einräumen, diejenigen Unterlagen bis zur Errichtung bzw. Inbetriebnahme der Anlage nachzureichen, die für die Genehmigung selbst nicht unmittelbar relevant sind (§ 7 Abs. 1 S. 6 der 9.BImSchV). Diese Neuerungen sind beachtlich, weil der Fristbeginn nun nicht mehr von einer behördlichen Vollständigkeitserklärung abhängt. Eine solche ist zwar noch vorgesehen (§ 7 Abs. 1 Abs. 2 S. 1 der 9.BImSchV), sie löst aber nicht den Fristlauf aus, denn dafür ist einzig der vollständige Eingang der Unterlagen entscheidend (§ 7 Abs. 2 S. 4 der 9. BImSchV). Dies schließt nicht aus, dass es doch noch zu Meinungsverschiedenheiten über die Tatsache eben dieser Vollständigkeit kommen kann. Diese Frage wird von der BImSchV nicht konkret beantwortet. Es heißt, die Unterlagen müssten sich zu allen rechtlich relevanten Aspekten des Vorhabens verhalten und die Behörde in die Lage versetzen, den Antrag näher zu prüfen (§ 7 Abs. 2 S. 2 der 9. BImSchV). Dies lässt vermutlich einen erheblichen Auslegungsspielraum zu. Es bleibt zu hoffen, dass sich in der Praxis schnell klärt, welche Unterlagen unerlässlich sind, sodass hier kein neues Verzögerungspotential entsteht.

Außerdem ist an die Überschreitung der Genehmigungsfrist durch die Genehmigungsbehörde keine eigene Rechtsfolge geknüpft. Sie muss, wie erwähnt, dies zwar ihrer Aufsichtsbehörde melden. Aber was daraus weiter folgt, ist unklar. Hier setzt der Gesetzgeber offenbar auf die Wirkungen, die eine solche Meldung auslöst. Auch ist die Terminologie nicht immer einheitlich. Die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde wird zwar im Gesetz als Genehmigungsbehörde gekennzeichnet; der Gesetzgeber hält diese Begrifflichkeit aber im selben Absatz und im Übrigen nicht konsequent durch. Auch das wird sich in der Praxis hoffentlich zurechtrütteln.      

Ansprechpartner: Prof. Dr. Ines Zenke, Dr. Tigran Heymann, Andreas Große, Carsten Telschow

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