
14. Oktober 2024
Die sogenannte Überschusserlösabschöpfung nach §§ 13 ff. Strompreisbremsengesetz (StromPBG) steht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand. Am 24.9.2024 fand die mündliche Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde von 26 Stromerzeugern gegen das StromPBG statt.
Was sind die Hintergründe?
Das StromPBG sah vor, bis zum 30.4.2024 Bürger und Wirtschaft zu entlasten, indem ihnen ein bestimmtes Basisstromkontingent zu einem gesetzlichen Festpreis zur Verfügung gestellt wurde. Das Problem liegt in der Finanzierung. Durch eine Abschöpfung sogenannter „Übererlöse“ anderer Stromerzeuger – insbesondere auf Basis erneuerbarer Energien und Braunkohle – wurde die Strompreisbremse über einen Umlagemechanismus finanziert. Übererlöse sind dabei erhebliche Mehreinnahmen, die zum ganz überwiegenden Teil unerwartet und vor allem nicht darin begründet waren, dass der Strom „besser“ vermarktet wurde.
Sie sind vor allem der börslichen Strompreisbildung geschuldet. Diese funktioniert nach dem sogenannten „Merit-order-System“, wonach sich der aktuelle Strompreis nach dem Kraftwerk bestimmt, bei dem die aktuelle Stromerzeugung am teuersten ist. Das waren wegen des vorherrschenden Gasmangels vor allem die Gaskraftwerke.
Dadurch konnten dann auch alle anderen Erzeuger – unabhängig von den individuellen Gestehungskosten – ihren Strom zum teuren, von Gaskraftwerken gesetzten Preis verkaufen. Nach dem gesetzgeberischen Verständnis kam das insbesondere den Erzeugern aus erneuerbaren Energien zugute, deren Gestehungskosten sehr gering sind und sich vor allem brennstoffunabhängig bilden.
Die EU beschloss daraufhin Anfang Oktober 2022, dass Mitgliedstaaten die so erzielten „Übererlöse“ der Anlagenbetreiber abschöpfen müssen. Das deutsche StromPBG sah vor, die Überschusserlöse aus der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, in Kernkraftwerken, Braunkohlekraftwerken und Abfallverbrennungsanlagen abzuschöpfen. Ausgenommen wurden Biomethananlagen und – unabhängig vom eingesetzten Energieträger – Anlagen bis zu einer Leistung von 1 MW.
Abgeschöpft wurden Überschusserlöse, die durch den Verkauf von Strom erwirtschaftet wurden, der im Zeitraum vom 1.12.2022 bis zum 30.6.2023 erzeugt wurde. Diese Abschöpfungsbeträge mussten die betroffenen Anlagenbetreiber an die Netzbetreiber zahlen, welche damit die Basiskontingente der Abnehmer (jedenfalls zu einem Teil) finanzierten.
Gegen diese Regelung richtet sich die Verfassungsbeschwerde der 26 Unternehmen, darunter 22 Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen.
Was sind die Kritikpunkte?
Sie beanstanden, dass die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Abschöpfung nicht gegeben seien. Sie sei eine unrechtmäßige Sonderabgabe. Insbesondere machen die Beschwerdeführer geltend, dass diese Leistung an Verbraucher und Unternehmen eine Aufgabe im gesamtgesellschaftlichen Interesse sei und die Ökostromproduzenten weder für den Anstieg der Strompreise verantwortlich waren, noch die Einnahmen gruppennützig verwendet wurden. Dementsprechend hätten die Hilfen aus allgemeinen Haushaltsmitteln bezahlt werden müssen.
Außerdem führe die starke Vereinfachung der Berechnung der Überschusserlöse teils zu hohen Abschöpfungsbeträgen, die schlimmstenfalls sogar zur Zahlungsunfähigkeit hätten führen können.
Zudem verstoße diese Abschöpfung fiktiver Übererlöse gegen EU-Recht, wonach gerade nur realisierte Erlöse abzuschöpfen sind. Die „willkürlich schwankenden Obergrenzen und Sicherheitszuschläge“ werden ebenfalls kritisiert. Gemeint sind damit zum einen die technologiespezifischen Referenzkosten, die zur Ermittlung der Überschusserlöse angesetzt werden. Dies reduziere die Investitionsanreize insbesondere in erneuerbare Energien, was wiederum einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 lit. b) EU-NotfallVO (EU 2022/1854) darstelle, der die Gefährdung von Investitionssignalen durch die Abschöpfungsmaßnahmen verbietet. Zum anderen wird aber bei der Festsetzung der Höhe des Sicherheitszuschlags auch nach Art der Abrechnung – also anhand Spotmarkt oder anhand tatsächlicher Erlöse am Terminmarkt – differenziert, wobei erstere von höheren Sicherheitszuschlägen profitieren. Diese Differenzierung sei eine ungerechtfertigte Schlechterstellung und daher eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 GG.
Ausblick
In der mündlichen Verhandlung am 24. September in Karlsruhe argumentierte die Bundesregierung insbesondere, dass es sich bei der Abschöpfung von Zufallsgewinnen gar nicht um eine Sonderabgabe gehandelt habe. Vielmehr handle es sich um eine normale Preis- und Erlösregelung, bei der das Geld nicht an den Staat, sondern über einen privatwirtschaftlichen Wälzungsmechanismus an die Netzbetreiber geflossen sei. Diese hätten dann das Geld verwaltet und verrechnet.
Bereits vor der Verhandlung in Karlsruhe hatte sich der Streit um das StromPBG zugespitzt. Das International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) hat am 23.7.2024 gegen die Bundesrepublik – vertreten durch die EU – entschieden und einer Klägerin einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung der Abschöpfung (vermeintlicher) Übererlöse zugesprochen. Streitpunkt war dabei der im Energiecharta-Vertrag (ECT) festgeschriebene Investitionsschutz.
Es bleibt abzuwarten, wie das BVerfG die Lage beurteilt und ob es die Entscheidung des ICSID berücksichtigen wird.
Auswirkungen auf die Entlastung der Stromverbraucher durch die Strompreisbremse sind aber auch dann nicht zu erwarten, wenn das BVerfG den Klägerinnen recht geben sollte. Die Strompreisbremse wird nur anteilig durch die Übererlösabschöpfung finanziert. Dieser Anteil würde dann sinken oder wegfallen, der Anteil der Finanzierung durch den Bundeshaushalt steigen.
Ansprechpartner:innen: Dr. Martin Altrock, Dr. Markus Kachel, Dr. Heiner Faßbender, Alisa Obert