Wasserstoff-Kernnetz endlich genehmigt – Becker Büttner Held

23. Oktober 2024

Die Bundesnetzagentur hat am 22.10.2024 das Wasserstoff-Kernnetz genehmigt und damit den Startschuss für den Aufbau einer deutschlandweiten Wasserstoff-Infrastruktur gegeben.

Das Wasserstoff-Kernnetz soll gemäß § 28q Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) möglichst bis zum Jahr 2032 große Verbrauchs- und Erzeugungsschwerpunkte schrittweise miteinander verbinden – neben den zentralen Industriestandorten, wasserstofffähige Gaskraftwerke, große Elektrolyseure und Wasserstoffspeicher. Das Wasserstoff-Kernnetz weist eine Leitungslänge von 9.040 km auf, wovon ca. 60 % aus umgestellten Erdgasleitungen bestehen. Die Investitionskosten belaufen sich auf rund 18,9 Mrd. €.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Genehmigung immer wieder verschoben, weil es Klärungsbedarf zu einzelnen Infrastrukturprojekten gab, wie die Anbindung des Speichers Katharina oder die Aufnahme von Leitungsprojekten von letztendlich zehn Verteilernetzbetreibern mit einer Länge von ca. 800 km. Den ersten Entwurf hatten die Fernleitungsnetzbetreiber Gas bereits im Juli 2023 vorgelegt. Noch nicht klar ist das künftige Entgelt für die Nutzung des Wasserstoff-Kernnetzes. Die BNetzA hat mit der Festlegung WANDA zwar bereits in diesem Sommer den Rahmen für ein Hochlaufentgelt Wasserstoff gesetzt, jedoch steht die Folgefestlegung mit der konkreten Höhe noch aus.

Wichtig ist, dass die Fernleitungsnetzbetreiber die einzelnen Infrastrukturprojekte tatsächlich durchführen. Eine konkrete Projektverantwortung eines Netzbetreibers, die diesen zur Umsetzung rechtlich verpflichtet, ist jedoch nur für wenige Projekte benannt. Alle Projekte, die ab 2028 geplant sind, stehen unter dem Vorbehalt der Prüfung im Rahmen der integrierten Netzentwicklungsplanung für Erdgas und Wasserstoff gem. §§ 15a ff. EnWG. Zweifel hatte es zuletzt gegeben, weil der Bau einer Pipelineanbindung aus Norwegen abgesagt und eine Pipeline aus Dänemark zumindest zeitlich verschoben wurde – zwei Projekte, die maßgeblicher Bestandteil der Importstrategie der Bundesregierung sind.

Die Anbindung (und Entwicklung) der wasserstofffähigen Gaskraftwerke entscheidet darüber, ob die Netze ausgelastet sind und der Markthochlauf gelingt. Hier werden aktuell die Ausschreibungsbedingungen im Rahmen der Kraftwerksstrategie diskutiert. Eine Strategie für Wasserstoffspeicher steht weiterhin aus und ist dringend vorzulegen. Jüngst hat die Deutsche Energie-Agentur einen Vorschlag gemacht, wie sich Wasserstoffspeicher in Deutschland aufbauen und finanzieren lassen.

Offen ist es, wie sich das Wasserstoff-Kernnetz auf der regionalen und lokalen Verteilnetzebene weiterentwickeln wird. Die EU-Richtlinie zum Gas- und Wasserstoffbinnenmarkt (EU-GasRL), die am 4.8.2024 in Kraft getreten ist, verpflichtet die Gasverteilnetzbetreiber, lokale Gasnetz-Entwicklungspläne für Erdgas und Wasserstoff zu erstellen. Mit dieser originären Planungsverantwortung weist die EU-GasRL den Gasverteilnetzbetreibern eine entscheidende Rolle für die Gasnetztransformation zu (Art. 56, 57 EU-GasRL). Das Bundeswirtschaftsministerium will noch in diesem Jahr einen ersten Gesetzesentwurf vorlegen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die Zukunft der Gasnetze sollten Gasverteilnetzbetreiber die lokale Netzentwicklungsplanung auch unabhängig von einer schnellen gesetzlichen Regelung angehen. So können die Betreiber auch wichtige Impulse für die kommunale Wärmeplanung setzen.

Bei der anstehenden EnWG-Novelle sind weitere entscheidende Weichenstellungen für die Gasverteilnetze dringend zu klären. Hierzu zählen die Möglichkeit von Anschlusskündigungen und -verweigerungen bei einer notwendigen Außerbetriebnahme bzw. Stilllegung von Netzteilen, die Klärung möglicher Rückbauverpflichtungen, das Schicksal der Gas- und Wasserstoffkonzessionen sowie die Finanzierung der Wasserstoffnetze auf Verteilnetzebene. Als Beispiel könnten hier die Regelungen zur Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes in §§ 28r, s EnWG dienen, die ein gedeckeltes Hochlaufentgelt und ein staatlich abgesichertes Amortisationskonto vorsehen. Denkbar ist auch eine Querfinanzierung über die Gas- oder Wärmenetze, wie sie Art. 5 der ebenfalls in Kraft getretenen EU-Gasverordnung ermöglicht. Jedenfalls hat die BNetzA mit der Festlegung KANU 2.0 einen wichtigen Meilenstein für eine Verkürzung des Abschreibungsdauern für Erdgasnetze gesetzt.

Ansprechpartner: Dr. Olaf Däuper/Christian Thole/Johannes Nohl/Dr. Julian Conrad Schemmann

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